Offener Brief an die Kulturgemeinden
Manche Rechnung,
die unsereins heutzutage aufstellt, fällt kompliziert, manch andere
höchst simpel aus. Wenn ich mich morgens mit hundert Säcken
Kartoffeln auf einen Marktplatz stelle und über den Tag hinweg
achtzig oder mehr davon verkaufe, komme ich nächstes Mal sicherlich
wieder. Verkaufe ich nur die Hälfte oder weniger, wird sich die
Wiederkehr nicht rechnen.
Nun sprechen wir
jedoch nicht von Kartoffeln, einem Grundgut unseres Nahrung. Wir
sprechen von Kulturveranstaltungen. Wer Kultur schafft, gibt seinem
Publikum einen physisch weit weniger greifbaren Gegenwert für seine
hart verdienten Münzen und Scheine. Viel mehr werden Geist und
Phantasie inspiriert.
Das
Ausgehverhalten wird angeregt, sich von neuen Eindrücken begeistern
zu lassen und vielleicht das Tanzbein zu schwingen. Gemeinschaftlich
schön gestaltete Stunden zu erleben und den Rhythmen des
Familienbetriebes zugunsten von Melodien und Gesängen eine Pause zu
gönnen. Sicher spricht es manchem aus der Seele, dem eigenen Geist
ein wenig Abwechslung zu verschaffen und daraus neue Kraft und
Energie zu tanken.
In vielen
Städten blühte einst ein Reichtum an Veranstaltungen. Von Festivals
über Indoor- und Open Air Konzerte, durchgeführt von
selbstständigen Initiatoren. Doch diese Landschaft ist weithin ins
Abseits geraten. Die Vielfalt ist geschrumpft, das Spektakel
reduziert.
Schwankende
Publikumszahlen verlangen einem Veranstalter viel Zuversicht und ein
starkes Nervenkostüm ab, wenn sich der Vorverkauf eines aufwendig
vorbereiteten Abendprogramms schleppend hinzieht und die
Organisatoren verblüfft gegenan rudern und spekulieren, ob die
Auswertung der Abendkasse dem Happy End Tür und Tor öffnen wird
oder nicht. Und da haben wir sie wieder, die hundert Säcke
Kartoffeln. Sind am Ende achtzig Prozent der Tickets oder mehr über
den Tisch gegangen, wird es ein nächstes Mal geben. Wenn nicht, dann
nicht.
Wer sich
überlegt, dem heimischen Sofa dieses Mal den Vorzug zu
gewähren und dafür beim nächsten Termin ganz bestimmt dabei
zu sein, könnte erleben, was geschieht, wenn dieser Gedanke in zu
vielen Köpfen dominiert. Die Musik hat dann bereits aufgehört zu
spielen, die Musiker kommen nicht mehr wieder und die Lichter bleiben
aus. Wer möchte schon ein paar Tausend Euro ins Blaue investieren?
Das kann sich kaum jemand erlauben.
Darum möchte
ich Sie mit diesen Worten inspirieren, die Wertschätzung für den
regionalen Kulturbetrieb stets im Auge zu behalten und sich zum
richtigen Zeitpunkt im Szene-Laden Ihrer Wahl eine Pause zu gönnen.
Sowohl von den Rhythmen des Alltags, als auch von der gewohnten
Gemütlichkeit des eigenen Wohnzimmers. Wenn Sie schon im Vorverkauf
zugreifen, wird Ihnen der Veranstalter für die Planungssicherheit
zusätzlich dankbar sein.
Wir, die
Kunstschaffenden für Literatur, Musik, Theater und vieles mehr,
möchten Ihnen mehr bieten, als die Wiederholungen in der
Flimmerkiste hergeben. Bei uns spielt sich das echte Leben ab. Seien
Sie dabei. Wir freuen uns auf Sie. Vielen Dank und Auf Wiedersehen.
Frank Ramson